Turkmenistan

Ungeduldig sitzen wir am usbekischen Grenzposten, warten auf die Erlaubnis ausreisen zu können und schauen immer wieder zum Niemandsland und zur turkmenischen Grenze hinüber.
Für uns wird Turkmenistan eine ganz neue Erfahrung sein. Es wird das 15. Land sein, dass wir in Asien mit dem Motorrad bereisen und wir haben viel darüber gehört. Das "Nordkorea" Zentralasiens, das können wir nicht glauben. Ein durch Geheimdienst und Polizei stark überwachtes Land, an dessen Spitze ein Staatsoberhaupt steht um den, wie um seinen Vorgänger, ein großer Personenkult betrieben wird. Keine freie Presse, keine Opposition. Wir hoffen einen kleinen Einblick zu bekommen, um uns selbst ein Bild zu machen.
Doch noch sind wir in Usbekistan nicht frei. Man bemerkt, dass wir bei der Einreise keine Versicherung für die Motorräder abgeschlossen hatten. Uns hatte auch Niemand darauf aufmerksam gemacht. Aber Ordnung muss sein und so zahlen wir für beide Motorräder 24 US$. Aber wir bekommen eine Quittung und einen wunderschönen Versicherungsschein für die letzten 50 Meter auf usbekischem Boden zwischen der Zollabfertigung und dem Grenzzaun.
Auf der turkmenischen Seite wartet schon unser "Begleiter", ohne den wir uns im Land nicht bewegen dürfen. Wir sind erstaunt, dass es eine Frau ist. Nenne wir sie Ludmilla. Die Formalitäten laufen äußerst korrekt und verhältnismäßig schnell ab, so dass wir nach gut einer Stunde unsere Fahrt zum "Gate to Hell", dem Gaskrater von Dervaze, mitten in der Karakum Wüste antreten können. Vor uns liegen gut 300 Kilometer durch Steppen- und Wüstenlandschaft. Obwohl Ludmilla, die mit einem Fahrer unterwegs ist, uns vor den äußerst schlechten Strassenverhältnissen gewarnt hat, suchen wir diese vergeblich, in Usbekistan wären wir froh gewesen, uns auf solchen Strassen bewegen zu dürfen.

Obwohl Karakol, schwarze Wüste heißt, durchfahren wir eine Landschaft mit kleinen gelb beigen Dünen, die viel mehr Abwechslung bietet, als die Kysylkum Wüste in Usbekistan. Sanft geschwungene Erhebungen, soweit das Auge reicht.

Als das Fahrzeug von Ludmilla eine Panne hat, sind wir plötzlich "frei" und fahren über Stunden, umströmt von über 40 Grad heißem Fahrtwind durch die Einsamkeit. Immer wieder machen wir kleine Abstecher auf kleine Pisten, die parallel zu Asphaltstrasse verlaufen.

Die Sonne steht schon tief, als uns Ludmilla per Anhalter kurz vor Dervaze, einem Ort, der eigentlich nicht mehr existiert, eingeholt hat. Als ich die Pistenverhältnisse zum Krater erkunde, stelle ich gleich fest, dass es für unsere schwer beladenen Motorräder so gut wie unmöglich ist, die Strecke zu fahren. Vor uns bäumt sich eine riesige Düne mit feinem, tiefen, weichem Sand auf. Für die KTM wäre es ohne Gepäck und mit stark reduziertem Luftdruck vielleicht möglich gewesen, aber ich möchte das Schicksal nicht herausfordert, denn es liegen immer noch über 6000 Kilometer bis Deutschland vor uns.
Wir satteln um und werden von Ahmed, einem Nomaden, mit seinem Toyota Allrad über die Düne chauffiert. Auf der etwa sieben Kilometer langen Fahrt zum Krater stelle ich fest, dass die erste Düne noch nicht die Schlüsselstelle war. Viele Fahrspuren kreuzen sich auf dem Weg und es ist nicht immer klar, welche die Hauptpiste ist. Es folgt eine weitere langgezogene steile Auf- und Abfahrt in mehligem tiefen Sand, alles andere ist fester gut befahrbarer Untergrund. Mit drei Mal tief und lange Luft anhalten, sollte die Strecke also machbar sein, wenn man nicht unbedingt auf sein Material angewiesen ist.
Für uns geht mit dem "Gate to Hell" ein langer Traum in Erfüllung. In dem fast abgeschotteten Turkmenistan, weit abseits der Zivilisation in der Karakum Wüste explodierte in den siebziger Jahren, noch unter sowjetischer Herrschaft, eine Gasförderanlage hier im Nirgendwo. Die genauen Umstände und wie viele Menschen dabei ums Leben kamen wurde nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was blieb, ist ein 70 Meter breiter und 50 Meter tiefer runder Krater. Ein tragischer Unfall, der eigentlich in Vergessenheit geraten wäre. Doch seit dem Unglück lodern seit nunmehr über 40 Jahren Gasflammen aus dem Loch und schießen je nach Windverhältnissen über 20 Meter in dem Wüstenhimmel.

Ein unbeschreibliches Schauspiel bei Sonnenauf- und Untergang und in der Nacht. In sicherer Entfernung, gut 200 Meter vom Kraterrand schlagen wir unser Zelt auf. Ununterbrochen rauscht es, als würde man neben einem gigantischen Gasherd stehen. Ganz dicht am Kraterrand zischen und lodern tausende kleine und große Flammen empor. Steht man ungünstig zum Wind, fällt es schwer die heiße Luft einzuatmen, die noch vorhanden ist.
Lange sitzen wir in der Dunkelheit vor unserem Zelt und starren gebannt in die gelben Flammen, die den Nachthimmel orange färben.

Wenden wir uns ein wenig ab, sehen wir tausende Sterne und die Milchstrasse am klaren Nachthimmel. Dieser Abstecher ist auch ohne Motorräder zu einem Highlight all unserer Reisen geworden.
Je näher wir der Hauptstadt Ashgabat kommen, um so häufiger fahren wir an Polizeikontrollstellen vorbei. Die Stadt liegt eingerahmt von Bergen in einem Talkessel, nur wenige Kilometer von der iranischen Grenze entfernt.
In der Stadt scheint es dann so, als würde jede Kreuzung von Polizeistreifen kontrolliert. Von Ludmilla wird uns geraten nicht mit den Motorrädern in die Stadt zu fahren und diese bei unserem Hotel stehen zu lassen, da wir vermutlich ständig von der Polizei angehalten und mit lästigen Fragen gelöchert würden. Vorsicht sei auch beim fotografieren von Gebäuden, gerade im Zentrum der Stadt geboten. Im schlimmsten Fall würde man uns die Kamera beschlagnahmen und uns zu "Befragungen" mitnehmen. Wieso das Ganze, wir wissen es nicht und Ludmilla hält sich mit Antworten auf unsere Fragen sehr bedeckt. Wenn wir eine Antworten erhalten hätten, dann würden dies hier nicht veröffentlichen, um sie nicht zu gefährden.
Aus einer zufälligen Begegnung mit einem Europäer, der in der Stadt arbeitet, erfahren wir mehr.
Das ganze Land wird streng von dem allgegenwärtigen Geheimdienst überwacht, eine Opposition zur Regierung wird mit allen Mittel unterbunden. Freie Meinungsäußerung ist praktisch unmöglich. Die politische Elite sitzt somit fest im Sattel. Dadurch kommt es zu den skurrilsten Gesetzen. Eines davon und das ist kein Witz, ab 2017 dürfen sich nur noch weiße oder helle silberne Fahrzeug in der Stadt bewegen. Schon jetzt werden Fahrer andersfarbiger Fahrzeuge in der Stadt durch die Polizei darauf aufmerksam gemacht. Wieso das Ganze? Weil man es so will.
Bei einer Rundfahrt durch die Stadt wird uns dann schnell klar, dass wir uns in einer sterilen, fast unwirklichen Welt befinden. Alle Gebäude, auch die über zehngeschossigen Wohnsilos sind mit weißem Marmor verkleidet.

Selbst alten sowjetischen Plattenbauten wurde dieses weiße Kleid übergestülpt. Auf den Strassen sind, für Asien ganz untypisch nur wenige Menschen zu sehen. Die Architektur ähnelt auf verblüffende Weise dem alten Fritz Lang Klassiker "Metropolis". Ein Schelm, der dabei böses denkt.

Es scheint so, als seien die Menschen müde davon, sich gegen die Verschwendungssucht, gerade im hermetisch abgeriegelten Regierungsbezirk aufzulehnen und sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben, dass bei der nächsten Wahl andere für sie die Stimme abgeben.
Als wir am frühen Morgen die Stadt Richtung iranischer Grenze verlassen, wirkt diese im Licht der aufgehenden Sonne noch geisterhafter, noch unwirklicher und beim Anblick der vollklimatisierten Bushaltestellen für die Angestellten des Regierungszentrums ertappe ich mich dabei, wie ich bittersüß lächeln muss.

Noch ein paar Worte zu den Visaangelegenheiten. Wir mussten nach Angaben einer usbekischen Agentur, die eine Einladung beim turkmenischen Innenministerium für uns eingeholt hat mit einem Touristenvisum einreisen, welches gleichzeitig den erwähnten Begleiter voraussetzt. Transitvisa würden nicht mehr ausgestellt, hieß es.
Alle die wir aus unserer Reise trafen und beabsichtigen individuell durch Turkmenistan zu mit dem eigenen Fahrzeug zu fahren, hatten Transitvisa und konnten auf eine Begleitung und ein vorgeschriebenes Hotel in Ashgabat verzichten.
Für Nachahmer empfiehlt es sich, in Deutschland bei mehreren Visaagenturen Anfragen zu stellen, auch wenn behauptet wird, dass das Durchfahren des Landes mit einem Transitvisa nicht mehr möglich ist.
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