Türkei
Als wir die iranisch-türkische Grenze passieren ist der Gipfel des 5137 m hohen Ararat mit Wolken verhangen. In der Grenzstadt Dogubeyazit finden wir ein neu eröffnetes Hotel und beschließen sofort einen Tag länger hier zu bleiben, obwohl das allgegenwärtige türkische Militär und die Polizei uns nicht gerade ein sicheres Gefühl geben. Überall in den Bergen und auch in der Stadt sollen sich bewaffnete PKK-Kämpfer aufhalten, die in dem erneut aufgeflammten Konflikt mit der Regierung in Ankara ihren Kampf wieder aufgenommen haben. Wenn man schon das östlichste Ende der Türkei erreicht hat, so ist ein Besuch des Ishak Pasha Palastes, hoch über der Stadt ein absolutes Muss.
Von hier aus eröffnet sich ein gewaltiger Blick in die weite Ebene und zwischen dem kleinen und großen Ararat hindurch, bis an die armenische und aserbaidschanische Grenze.
Nur wenige Kilometer vor der iranischen Grenze findet sich ein wahrhaft biblischer Ort. Hier soll nach dem Alten Testament die Arche Noah nach der Flut gestrandet sein. Auf über 2000 Meter finden wir den die Stelle, eine Felsformation die einem Schiffsrumpf zum verwechseln ähnlich sieht.
Selbst die Maße dieser geologischen Besonderheit stimmen exakt mit denen der biblischen Schrift überein. Es stellt sich nun die immer wiederkehrende Frage, was war zuerst da. Das Huhn oder das Ei. Hierrüber wird unter Fachleuten heftig gestritten. Doch die Bewohner hier, alle Muslime, glauben fest an den biblischen Ursprung.
Am letzen Abend ist es in der Stadt gespenstisch ruhig. Zafer, der Manager unseres Hotels möchte uns gerne beruhigen, doch auf all unseren Reisen sind unsere "Antennen" sehr sensibel geworden und als wir Salven aus unterschiedlichen Waffen und die Druckwellen einiger Detonationen auf der Dachterrasse unseres Hotels wahrnehmen ist es klar, hier wird gekämpft. Wir hören mehrere Militärhelikopter die unbeleuchtet in der Dunkelheit aufsteigen, das Ziel ist unbekannt. Zafer lebt mit diesen Dingen seit seiner Kindheit, für ihn als Kurde ist es nichts besonderes, was hier geschieht. Wir möchten hier neutral bleiben, aber es fällt uns schwer.
Vor uns liegen zwei lange Überbrückungsetappen bis Göreme im Herzen von Kappadokien. Endlos lange Kilometer fahren wir auf guten Strassen durch eine hüglige Landschaft mit abgeernteten Getreidefeldern, die von braunen sanft geschwungenen Kuppen eingerahmt sind.
Letztendlich haben wir mit einem Stopp in Erzincan bis Göreme mehr als 1000 Kilometer auf die Strasse gebracht. Die Türkei muss sich anhand der Größe und Weite der Landschaft nicht hinter Iran verstecken.
Kappadokien ist eine Traumlandschaft wie aus einer anderen Welt und die kleine Stadt Göreme das Zentrum vom Zentrum.
Türme und Kegel aus Tuffstein prägen die Landschaft, in die vor langer Zeit Räume, ja ganze Wohnungen gemeißelt wurden.
Manche Türme und Felsen sehen aus wie ein Schweizer Käse. Noch heute machen sich die Menschen hier die Eigenschaften des Gesteins zu Nutze und schaffen darin Wohnungen. Im Sommer herrlich kühl, im Winter hält der Fels die Wärme. Fast alle Hotels hier bieten solche Höhlenzimmer mit authentischer Einrichtung an.
Ganz in der Nähe der Stadt, alles zu Fuß zu erreichen, taucht man in eine wahre Märchenwelt ein. In tiefen, engen Schluchten und Felsen geschlagene Häuser, ja ganze Siedlungen, spitze Säulen und rote oder zartrosafarbene zu Stein gewordene Wellen eines Meeres, so scheint es, gilt es hier zu entdecken. Stundenlang streifen wir zu Fuß durch diese Szenerie, naschen von wilden Weinreben und Apfelbäumen wovon jeder seinen ganz eigenen Geschmack hat. Ein wahres Paradies.
Wir wollen Neues in der Türkei entdecken und so machen wir uns noch einmal auf den Weg Richtung Nordosten nach Amasya im nördlichen Zentralanatolien. Die quirlige Stadt ist von Bergen eingebettet und war vor langer Zeit ein bedeutender Handelsort und junge Prinzen wurden hier auf ihre Sultansrolle in den 18 Medressen vorbereitet. Im 15. Jahrhundert war Amasya, Bagdad fast ebenwürdig. Alte Fachwerkhäuser säumen noch heute das Ufer des Yesilirmark Flusses.Eine tolle Stadt zum Entspannen. Wir wären gerne länger geblieben.
Safranbolu nur 90 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt ist unser letzter Halt vor Istanbul. In einer grünen Mittelgebirgskette finden wir uns in engen Gassen mit den traditionellen türkischen Fachwerkhäusern wieder. Safranbolu ist kein Geheimtipp mehr aber touristisch nicht überlaufen. Griechen brachten es hier bis zu ihrer Vertreibung in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu großem Wohlstand mit dem Anbau und Handel von Safran und so dreht sich auch heute noch zwischen den alten Häusern und mit Weinreben überdachten kühlen Gassen um die getrockneten Blütenstände des Krokus. Über Qualität lässt sich streiten, wir schwören auf den indischen Safran aus Kashmir, aber hier scheint alles aus Safran hergestellt zu sein. Seife, türkischer Honig, Parfum, Tee und natürlich auch das reines Gewürz aus dem kostbaren Gewächs ist hier überall zu haben. Auf den Plätzen zwischen den Laubengängen herrscht orientalisch, mediterrane Gelassenheit.
Wer einmal in der Türkei abseits der großen Touristenströme wandeln möchte, dem sei Amasya und Safranbolu wärmstens empfohlen.
Langsam nähern wir uns unserem Ziel Istanbul. Von Safranbolu sind es noch 393 Kilometer. Kurz vor Izmet erreichen wir das Meer und der Verkehr wird deutlich dichter. Ab hier scheint alles schon mit der Metropole am Bosporus verwachsen zu sein. Aber etwa 20 Kilometer vor dem Zentrum 12 Millionen Stadt können wir uns erst einen Überblick über die Ausmaße verschaffen. Alle Hügel um uns herum sind bebaut, in den Täler liegen, soweit das Auge reicht, Strassenzüge und Hochhausblöcke, ein wahres Labyrinth urbanen Lebens. Eigentlich wollten wir die Fahrt über die Bosporusbrücke, den Wechsel von Asien nach Europa, zelebrieren, Fotos schießen und im Film festhalten, doch es gibt keine Möglichkeit zum Anhalten.
So wird diese Brückenüberfahrt hoch über dem Wasser nur in unseren Gedanken bestehen bleiben. Wer einmal den langen Weg von Ost- oder Zentralasien nach Istanbul und Europa hinter sich gebracht hat, weiß, wovon wir reden. Es ist ein ganz besonderes Gefühl.
Istanbul ist uns vertraut und wir genießen es an der Galatabrücke halt zu machen und zum goldenen Horn, mit dem Topkapipalast und den unzähligen Moscheen hinüber zu schauen. Die klassischen Ansicht des alten Stadtzentrums.
Eineinhalb Tage treiben wir uns in der Stadt herum, besuchen uns bekannte und unbekannte Flecken des alten Konstantinopels.
In der Einkaufstrasse, die vom Taskimplatz zum Galataturm herunter führt, verfallen wir in einen kleinen Kaufrausch. Wir sind den zwei Hosen und vier T-Shirts, die wir in den fast sieben Wochen getragen haben, ein wenig überdrüssig geworden.
Etwas wehmütig verlassen wir diese wunderbare Stadt, ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen.
Wir sind aber auch traurig, in die Gesichter der vielen Flüchtlinge aus Syrien zu schauen, die in den Gassen hocken, nicht bettelnd, nur wortlos Pappschilder vor sich haltend, auf denen steht, "We are from Syria, can you help us"..... und wir denken an die zwei Hosen, deren wir überdrüssig geworden sind.
Der Landweg auf dem europäischen Teil des Türkei führt recht trist vorbei an Ackerflächen und kleinen Städten bis Edirne, der Grenzstadt nach Bulgarien. Hier nur etwa 200 Kilometer von Istanbul entfernt haben wir das Gefühl, dass der Rest des Landes im Osten weiter entfernt ist als der Mond. Nur die Moscheen und der Ruf des Muezzins erinnern uns noch an orientalische Zeiten auf unserem langen Weg durch Asien. Als wir die bulgarische Grenze erreichen, zeigt die Kilometerzähler unserer Motorräder die Zahl 9825.