Marokko - Der Südosten

Auf einer kleinen Piste verlassen wir Agdz Richtung Süden. Es ist die alte Karawanenstraße, die sich an einem ausgetrockneten Flussbett durch Palmoasen und urige Dörfer schlängelt. Hier abseits der Asphaltstraße scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Auf dem flachen, harten, kaum mit Sand durchsetzten Weg kommen wir gut voran, bis Claudia an ihre Grenzen stößt. Die Piste windet sich steil, mit losen faustgroßen Steinen an den Fluss hinunter und scheint danach nicht besser zu werden. Langsam hoppeln wir hinunter und suchen uns einen Weg an die nur 3 Kilometer entfernte Nationalstraße.


Zügig geht es dann immer weiter südwärts, dem Dünengürtel des Erg Chigaga entgegen. Hinter jeder Kurve eine neue beeindruckende Landschaft, flache enge Oasentäler wechseln sich mit weiten Hammadaflächen ab. In den Dörfern reiht sich eine Kasbah an die nächste, dahinter ragen wie schon die Tage zuvor rote Felswände in den Himmel. Abwechslungsreicher kann ein Tag auf dem Motorrad kaum sein.
Plötzlich schauen wir von einer passartigen Erhebug auf eine endlos weite Ebene hinunter. Schnurgerade führt die Straße durch sie hindurch. Uns scheint es als sei vor uns ein riesiger Heißluftfön aufgebaut, der uns über 40 Grad heiße Luft entgegenbläst.
Mit 100 km/h und mehr lassen wir die weiten Hammada- und Sandebenen links und rechts an uns vorbeistreifen. Ein irres Gefühl hier nur dieses eine kleine gerage einmal 3 Meter breite Asphaltband zur Verfügung zu haben, um voran zu kommen. Noch verrückter die Vorstellung, das die Herren bei Paris - Dakar und Co auf dem Gelände neben uns weitaus schneller unterwegs sind.
Immer wieder kreuzen quietsch bunte Geländewagen, Motorräder und gigantische Renntrucks unseren Weg. Wir alle haben dasselbe Ziel, den Erg Chigaga. Hier beginnt in ein paar Tagen die "Rallye Maroc".
Für uns bleiben in M´Hamid die Dünen jedoch unerreicht. Zu tief, zu weich ist der Sand für uns, um auf den Pisten an sie heranzukommen.
Jedoch werden wir schon früh am Morgen von Motorradgeräuschen geweckt, die bei uns jeden TÜV-Ingenieur zum Schaudern bringen würden. Die Jungs dort sind zeitig auf dem Sattel und fahren sich schon mal warm.
Auf dem Weg zurück in das Draatal machen wir in Zagora noch eine kleine Teepause bei dem örtlichen Schrauber, dessen Nachwuchs mit gekonntem Blick meine KTM durchcheckt.


Unser nächstes Etappenziel ist der kleine beschauliche Ort N´Kob, der an einer kleine Landstraße nördlich zwischen Erg Chigaga und Erg Chebbi liegt. Wir sind gut in der Zeit und wählen immer wieder kurze Pistenabschnitte abseits des Asphalts.
N´Kob ist für seine unzähligen Kasbah´s bekannt, wird aber von den meisten Reisenden nur als Zwischenstopp aufgesucht. So haben wir für die Nacht ein ganzes Riad, ein traditionelles marokkanisches Haus mit einem Innenhof, bzw. einem inneren Garten, ganz für uns alleine. Wir streunen durch die Gassen und entspannen in die nachmittägliche Sonne blinzelnd auf dem lebendigen Platz des Ortes bei einem Cafe Noir mit Datteln und gerösteten Mandeln.

Nur 230 Kilometer trennen uns von N´Kob bis zum Erg Chebbi, der wohl beeindruckensten Sanddünenlandschaft Marokkos. Auf einer Fläche von 15 x 50 Kilometern ragen hier ganz nahe der algerischen Grenze Bilderbuchdünen in leuchtendem Orange und Gelb bis zu 300 Meter hoch in den blauen Himmel.
Hierher führt nur eine einsame Asphaltstraße aber dutzende Pisten durchziehen die flache Hammadawüste vor diesem riesigen Sandkasten.
Schlagartig endet die befestigte Straße. Etwa 2 Kilometer vor den Dünen geht es nur noch auf losem Untergrund weiter. Von unserem kleinen Hotel ist es nur noch Katzensprung durch eine kleine Palmenoase und schon ragen die sanft geschwungen Dünenkämme in bestem Licht vor uns auf.



Zu Fuß streifen wir am Nachmittag über zwei Stunden durch diese Märchenwelt, bis der Muezzin im Dorf den Sonnenuntergang ankündigt.
13.10.2013, Ruhetag. Aber Ruhetag heißt nicht die Motorräder zu vernachlässigen. Sie wollen bewegt werden und wenn nicht hier, wo sonst.
Der Reiseführer schreibt: "Wer wissen will, wie es am Ende der Welt aussieht, muss nach Taouz fahren." Also los nach Taouz auf einen Café Noir in die Auberge "Casa Taouz", um zu sehen wo die Welt wohl endet. Nach 30 Kilometer fahren wir in den wirklich trostlosen Ort ein, von Asphalt keine Spur mehr. Mitten im Ort ist dann Schluss, ab hier beginnt militärisches Sperrgebiet zur nahen algerischen Grenze hin.
Ob die Auberge "Casa Taouz" mit ihrem wässrigen Café Noir nun trostloser ist wie der ganze Ort zusammen oder umgekehrt ist eigentlich egal, unser Reiseführer hat uns nicht zu viel versprochen.
Hier lernen wir Mustafa kennen, der uns für einen kleine Obolus auf einer tollen Piste in eine bizarre Wüstenlandschaft zu prähistorischen Felsgravuren führt.



Dort angekommen fragen wir uns, ob wir über- oder Mustafa untermotorisiert diese Unternehmung angegangen ist.


Den Rest des Tages verbringen wir so, wie es hier sein soll, wenn man mit einem geländegängigen Motorrad unterwegs ist. Kreuz und quer suchen wir uns die landschaftlich schönsten Pisten aus um wieder in unser Hotel zurückzukehren.
Ein absolutes Highlight unserer bisherigen Reise.



Dass Claudia gegen Ende noch mit einem ganz speziellen Wüstenbewohner
Bekanntschaft macht, rundet den Tag perfekt ab.


Wir kehren den Dünen des Erg Chebbi den Rücken und fahren über eine staubige Piste wieder nordwärts. Man versprach uns hier topfebene und brettharte Hammada, die nur mit kleinen Steinen überzogen sein soll. Wir finden aber eine neu geschobene schwammige Piste vor. Die Spuren auf der Hammada führen in alle nur erdenklichen Richtungen jedoch das GPS weißt exakt den Weg der neuen Piste. Wir entschließen uns gegenseitig unseren Staub zu schlucken und nur in Ausnahmefällen auf den traumhaften Hammadabelag nach links und rechts auszuweichen, um in der endlos erscheinenden Weite nicht von der GPS-Weisung abzukommen. Völlig eingestaubt fahren wir kurz vor Erfoud wieder auf eine kleine Asphaltstraße auf.
Wir befinden uns nun im Ziz-Tal, dessen Oasen sich wie eine grüne Schlange durch die sonst vegetationslose raue Berglandschaft windet. Nach der langen Zeit in der Wüste nehmen wir das Wasser des Flusses ganz intensiv war. Schlagartig wird es kühler und feuchter, ein ungewohntes Gefühl, dies zu spüren und wieder so viel saftiges Grün zu sehen.


Weit abseits der Straße finden wir in dem kleinen Oasendorf Zouala eine Unterkunft in einem riesigen Stampflehmhaus aus alten Zeiten. Über Kopfsteinpflaster fahren wir unsere Motorräder mitten durch das Haus, durch den langen düsteren Flur in den Garten, um sie dort abzustellen.
Lange sitzen wir noch am Abend mit Ahmed, dem Eigentümer in dem traditionellen Wohnbereich zusammen und erfahren viel über die Menschen und diese Region.


Am nächsten Tag unterläuft uns der einzige "Planungsfehler" unserer bisherigen Reise. Die Bezeichnung "Straße der Kasbah´s" lockte uns zu sehr und versprach nicht das, was wir erwarteten. Zu lang war der Weg nach Skoura und am nächstan Tag wieder zurück für das, was die "Straße der Kasbah´s" zu bieten hatte. Hätten wir doch auf Ahmed aus Zouala gehört, der uns einen Abstecher durch zwei beeindruckende Schluchten, weit abseits der Nationalstraße ans Herz legte.
Die letzte Etappe im Südosten Marokko´s endet mit einem landschaftlichen Highlight,
der Todraschlucht.
Eine kleine Straße, vor ein paar Jahren noch eine Piste, zweigt in Tinerhir nach Norden in die Berge ab und führt in eine Schlucht hinein, die an der engsten Stelle gerade einmal
30 Meter breit ist. Links und rechts ragen fast lotrechte rote Felswände in den Himmel. Für nur kurze Zeit am Tag fällt Sonnenlicht auf den kleinen Fluss neben der Straße.


Nur langsam weitet sich der Felskanal nach Norden und führt auf einer einsamen, kurvenreichen Straße bis auf über 1400 Meter in eine Berg- und Wüstenlandschaft.
Von hier aus führen raue Pisten in dieses fast menschenleere Gebiet auf über 2500 Meter.
Wir kehren zum südlichen Ausgang der Todraschlucht zurück, um am nächsten Tag über das Dadestal in den Norden aufzubrechen.