Laos

 

Für uns Menschen gestaltet sich die Einreise nach Laos völlig unkompliziert, jedoch verlangt der Beamte, wie auch sein Kollege auf der kambodschanischen Seite 1 US Dollar pro Person. Als ich ihn freundlich frage, ob ich eine Quittung bekommen kann, ernte ich nur einen finsteren Blick, ich konnte ja nicht ahnen, dass es sich hierbei um ein Schimpfwort oder etwas anderes Unanständiges handelt. Danach verschwindet die Währung der Weltmacht ganz unverhohlen in der Brusttasche seines abgespeckten Uniformhemdes. Beim Zoll finden wir den zuständigen Beamten in einem verklebten Unterhemd unter einem Bambusdach vor einer halbleeren Flasche Jack Daniels hockend vor. Der arme Kerl ist so besoffen, dass ich ihn teilweise zu seinem Büro hin stützen  muss. Eigentlich wird das Carnet von mir abgestempelt, da ich seine Hand führe, damit der Stempel auch an der richtigen Stelle trifft. Nur wenige Kilometer nach der Grenze herrscht ein tosender Lärm. Hier bringt der Khong-Phapheng Wasserfall den Mekong zum kochen. Ungezügelt stürzen die brodelnden Wassermassen durch die Felsen hindurch Richtung Kambodscha. Es sind die größten Wasserfälle des gesamten Flusses.



Die Insel Don Khong mitten im Mekong bietet uns für zwei Tage einen absoluten Ort der Ruhe. Hierher setzen wir mit einer kleinen Fähre über. Es herrscht kaum Fahrzeugverkehr und die Bauern in den kleinen Dörfern scheinen fast noch autark zu leben, ernten Reis, Zuckerrohr und Kokosnüsse. Es ist das Reich der viertausend Inseln, die auftauchen, wenn sich der Mekong hier nach der Regenzeit von einer Breite von bis zu 14 Kilometern zurückzieht und grössere und kleinere Inseln freigibt. Pakxe ist eine Provinzhauptstadt im Süden von Laos. Auf dem Weg dorhin machen wir einen Abstecher auf das Bolaven Plateau, wo eine der besten und teuersten Kaffeesorten, der Arabica Typica angebaut wird ein Kaffeegenuss wie wir ihn noch nie erlebt haben. Das Bolaven Plateau war aber auch das meist bombardierte Ziel der Amerikaner im Vietnamkrieg, obwohl das Land offiziell nie in der Krieg verwickelt war. Die US Air Force warf über 2 Millionen Tonnen Bomben über Laos ab. Viele UXO (Blindgänger) liegen noch heute im dichten Dschungel oder am Strassenrand. Pakse ist eine typisch laotische Mekongstadt, in der der Alltag dahinzugleiten scheint. Die sprichwörtliche laotische Gelassenheit nimmt auch langsam bei uns Gestalt an. Alles läuft viel entspannter und ruhiger ab, so sitzen wir am Abend über zwei Stunden am Mekong und lassen Raum und Zeit an uns vorbeiziehen.



Es ist heilig Abend, als wir in Thakhet ankommen. 340 Kilometer durch eine flache verdorrte Ebene mit schütterem von der Sonne verbranntem Laubbaumbestand liegen hinter uns. Es war eine reine Überbrückungsetappe. Lediglich die kleinen Dörfer am Strassenrand brachten uns bei einer Rast ein wenig Abwechslung.



Als wir in der Tha Khaek Travel Lodge eintreffen, trauen wir unseren Augen nicht. Vor uns steht Philip aus der Schweiz, den wir im Frühjahr bei dem Autorentreffen unseres Verlegers in der Nähe von Dresden kennengelernt hatten. Die Welt ist klein. Er ist mit seiner KTM 530 EXC seit dem Sommer in Asien unterwegs. Zusammen mit Bernhard aus Österreich, der mit seiner alten BMW Paris Dakar von Europa hierhergekommen ist, verbringen wir einen schönen Weihnachtsabend mit vielen Geschichten über das Motorradfahren rund um den Globus bei Lagerfeuer stimmungsvoll mit unserem kleinen Reiseadventskranz.



Ein anstrengender Pistentag liegt vor uns. Zunächst geht es über guten Asphalt Richtung Osten und die ersten Karststeinformationen tauchen vor uns auf. Steile begrünte Felssäulen vermischen sich mit geschwungenen Kalksteinbergen, eine Szenerie wie aus der Urzeit. Das Gebiet, welches wir auf den folgenden 100 Kilometern durchfahren, ist teilweise aufgestaut worden und überall ragen riesige abgestorbene Teakholzbestände aus bizarr anmutenden kleinen Seen.



Längst bewegen wir uns auf einer roten Piste, die mit tiefen Wellen, weichem Sand und faustgrossen Steinen gespickt ist. Es dauert eine Weile bis ich die Piste “lesen” und an der Farbe des Belags vor mir erkennen kann wie dieser Abschnitt zu befahren ist. Doch dann funktioniert das Zusammenspiel mit mir und der KTM fast perfekt, obwohl das Fahrwerk hier oft an seine Grenzen gebracht wird. Trotz grosser Konzentration tauchen im Wechsel von Licht und Schatten immer wieder tiefe Löcher auf, denen ich nicht mehr ausweichen kann. Oftmals verengt sich der Weg zu einem kaum drei Meter breiten Pfad, der mitten durch einen dichten, üppigen Urwald führt. Wenn wir eine Pause machen, hören wir nur das Geschrei der Affen, exotische Vogelstimmen und den Wind, der das Elefantengras und die Wipfel der Bäume rauschen lässt.

Lak Xao ist der Endpunkt unseres Offraodtages, eine staubige, öde Kleinstadt an der Strasse zur vietnamesischen Grenze. Wir lassen es uns nicht nehmen, von hier  die 30 Kilometer in perfekten Kurven auf den Keo-Neua Pass zum Grenzübergang durch einen finster anmutenden Urwald zu fahren. Im einzigen Restaurant von Lak Xao sind wir auch die einzigen Gäste und bestellen zur Sicherheit Hühnchen mit Ingwer und Hühnchen mit scharfem Gemüsecurry. Doch was uns auf den Tisch gestellt wird, sieht beileibe nicht nach Huhn aus, was auch eine Bissprobe bestätigt. Ob es morgen auf dem Hof nicht mehr miaut oder bellt, wissen wir nicht. Aber wenn es das nicht mehr tut, dann war es bestimmt ein uralter Kater.

Wir beschliessen den Tag, den wir beim Auszollen in Bangkok verloren haben, heute herauszufahren. Bis in die laotische Hauptstadt Vientiane führt die Strasse zunächst in wunderbaren Kurvenkombinationen durch ein zerklüftetes Karstgebirge mit messerscharfen fast schwarzen Felsgebilden.



Fast ohne Verkehr schwingen wir seichte Steigungen hinauf und gleiten in weichen Kurven hinab. Etwas nachdenklich machen uns jedoch einige Zivilisten, die mit alten amerikanischen M 16 Sturmgewehren aus den sechziger Jahren auf der Strasse spazieren gehen. Als wir die Nationalstrasse 13 erreichen, sind die restlichen 250 Kilometer ein reines Abspulen der Distanz. Wie fast überall auf den Hauptverbindungsstrassen sind 125 Kilometer pro Stunde kein Problem. Das Land zählt gute neun Millionen Einwohner und ist nur ein Drittel kleiner als Deutschland, was soll also auf den Strassen los sein? Vientiane entpuppt sich in den nächsten zwei Tagen zu einer unserer Lieblingsmetropolen in Asien, Das Zentrum ist gespickt mit buddhistischen Klöstern, an der Mekongpromenade werden jeden Abend Garküchen aufgebaut, die köstlich Gegrilltes bei Sonnenuntergang anbieten.



In den stillen schmalen Seitengassen stehen noch pittoreske Häuser aus der Kolonialzeit. Die ganze Stadt wirkt dörflich gemütlich. Hier hat sich Thierry aus Frankreich niedergelassen. Wie wir hörten ein alter Paris-Dakar Veteran, der hier Offroadtouren organisiert und Motorräder verleiht. Er selbst fährt auch eine LC 8, 950 Adventure und hat Laos kreuz und quer oft auf schmalen Pisten durchfahren. Natürlich ist er sehr an unserer neuen Adventure R interessiert. Als ich ihm den Schlüssel zuwerfe und er nach einer Fahrt über die Sandbänke des Nekongs zurückkehrt, sehe ich nur ein breites Grinsen in seinem Gesicht. Thierry wirft unsere Pläne für Nordlaos über den Haufen und empfiehlt uns Pisten, die in unserer Karte nicht existieren und nur in der Trockenzeit befahrbar sind, Wir werden seinem Rat folgen und sind gespannt auf den Dschungel und die Berge von Nordlaos. Thierry hat und auch empfohlen auf der Route 10 nach Vang Vieng zu fahren, ein guter Tipp, den schon kurz nach der Hauptstadt führt die Strasse durch kleine verschlafene Ortschaften und mehr und mehr kurvenreich durch wenig bewohntes Gebiet. Vor Vang Vieng tauchen die ersten wulstigen oder spitz bewaldeten Berge aus Kalkstein auf, die für Nordlaos so typische sind. Das Städtchen liegt vom Dschungel eingerahmt in einer wunderschönen Ebene an einem Fluss.



Vang Vieng ist jedoch ein wenig in Verruf geraten, denn viele pilgern hierher, um sich hier hemmungslos dem Drogenkonsum hinzugeben. Marihuana, Haschisch, halluzinogene Pilze, Amphetamine und Opium aus dem goldenen Dreieck, hier alles kein Problem, man muss noch nicht einmal danach fragen, es wird einem ganz offen angeboten.



Geht man all dem aus dem Weg ist Vang Vieng ein wirklich schönes Fleckchen Erde in einer lieblich überwältigenden Landschaft. Als wir früh morgens aufbrechen, sind die massigen Berge um uns noch mit feinem Dunst überzogen, nur die Reisfelder leuchten schon in ihrem giftigen Grün. Die Strasse windet sich nun immer höher, eine Kurve reiht sich an die nächste. Über 150 Kilometer geht es mal links, mal rechts, mal auf und ab um die Bergflanken, so dass wir bald die Orientierung verloren haben.



Eine traumhafte Motorradstrecke. Noch gestern Abend habe ich das Fahrwerk der KTM auf die hier so typischen langen Wellen im Asphalt angepasst und nun klebt die LC 8 förmlich auf der Strasse. Luang Prabang ist eine der schönsten Orte, die wir bisher gesehen haben. Die kleine Stadt liegt direkt am Mekong, auf den wir wieder auf unserem Weg durch die Berge getroffen sind. Das Wasser ist hellbraun wie Milchkaffee und fliesst fast anmutig, dem Charakter der Stadt entsprechend durch ein üppig grünes Tal. Wir sind morgens um 6 Uhr schon wieder auf den Beinen. Um diese Zeit schreiten die Mönche der umliegenden Klöster wortlos in langen Schlangen über die Strassen der Stadt, um von den Einheimischen demütig Opfergaben als Essenspende zu erhalten.



Luang Prabang ist ein Fest für die Augen. Die Stadt ist üppig begrünt und überall leuchten bunte Büsche mit ihren Blüten als frische Farbklekse hervor. Rund um die über 30 Klöster findet man noch prächtige Villen aus der Kolonialzeit vor, die sich hübsch in die Gassen mit typisch laotischen aus rötlichem Hartholz einreihen. Den ganzen Tag schlendern wir durch die Gassen und Strassen der Stadt und sind fasziniert von der dieser Schönheit am Mekong.



Es ist Sylvester morgen und kurz nach Luang Prabang schlagen wir uns nach rechts in die Büsche, um Thierrys Ratschlag zu folgen. Auf 70 Kilometern folgen wir einer brettharten Piste, die dem Lauf eines Flusses folgt. Die Vegetation um uns herum wir immer üppiger und dichter und der perfekte Belag lässt bis auf wenig Wellblech Geschwindigkeiten bis zu 90 Stundenkilometer zu. Immer wieder gibt der Urwald jedoch schöne Blicke auf das grüne, manchmal wilde Wasser des Nam Xeng frei. Nach Pak Xeng, dem einzigen grösseren Ort auf dieser Strecke, wird es heftiger. Eine von uns geschätzte  und mit heimischen Steigungen verglichene 20 prozentige Rampe, die sich zu einem schmalen Pfad verengt, führt steil in den Dschungel hinauf. Die Piste ist kreuz und quer mit bis zu 30 Zentimeter tiefen und 20 Zentimeter breiten Auswaschungen längsseitig in einem wirren  Geflecht durchzogen. Aufs Höchste angespannt in der Hoffnung, dass sich Claudia hinter mir keinen Zentimeter bewegt, versuche ich die KTM auf den Erhöhungen der Auswaschungen die Steigung hinauf zu manövrieren. Die ersten 300 Meter sind geschafft und es wird ein wenig flacher. Zeit zum Durchatmen, mir und auch Claudia rinnt der Schweiss in Strömen hinunter. Danach folgen weitere dieser steilen Abschnitte auf einer Länge von 12 Kilometern. Als ich einmal hart mit dem Vorderrad in eine dieser Längsrinnen gerate, folgt das Hinterrad unweigerlich und wir stecken in dem steilen Hang fast bis zu den Koffern fest. Claudia hat hat keine Mühe abzusteigen und ich hoppele mit viel Gas wie in einer Strassenbahnspur im Zick Zack durch die Rinne nach oben. In der Regenzeit hat hier kein Fahrzeug eine Chance. Wir schrauben uns immer höher und die weiten Ausblicke auf den bergigen Urwald, der bis zum Horizont reicht, sind fantastisch.

Die restlichen 60 Kilometer führt die Piste direkt auf dem Scheitelpunkt der Bergkämme entlang. Wir durchfahren winzige Dörfer mit primitiven Bambushütten, in denen wir uns bei einer Rast bei der Bevölkerung wie Marsmenschen vorkommen. Hier trägt kaum einer Schuhe, es gibt keine Elektrizität und das Wasser muss vom Dorfbrunnen geholt werden.



Es ist spät geworden als wir wieder die Asphaltstrasse erreichen. In schönen Kurven, im Vergleich zu der hinter uns liegenden Piste, lässt sich die schwer beladenen KTM fast bis zum aufsetzen der Koffer bis nach Nong Khiao schwingen. Wir finden eine wunderschöne Lodge direkt am Nam Ou Fluss. Nach einem guten Abendessen endet unser Sylvester Abend vor dem Jahreswechsel, todmüde schlafen wir um zehn Uhr ein. Prosit Neujahr, es war ein herrlicher Tag. Neujahr. Die Berge sind nebelverhangen und wir frieren bei 15 Grad. Unser Weg führt uns über 1300 Meter hohe Pässe in den äussersten Nordwesten von Laos. Weit über 100 Kilometer legen wir durch schütteren Bergwald auf nicht asphaltierten Strassen bis Luang Namtha zurück. Nach insgesamt 250 Kilometern erreichen wir das nur etwa 35 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernte Städtchen, welches im Vietnamkrieg fast völlig dem Erdboden gleich gemacht wurde. Auf Goolge Earth sind noch heute östlich und westlich des Ortes die Bombenkrater in den Feldern zu erkennen.

Früh am Morgen brechen wir nach Houay Xay auf und durchfahren eine fast gespenstische nebelverhangene Urwaldlandschaft. Im Verlauf des Vormittags bricht immer wieder die Sonne durch, deren Strahlen die Landschaft in ein fast unwirkliches Licht hüllt. Die Strasse verläuft auf 180 Kilometern durch fast unberührten Urwald, nur selten kommen wir durch kleine Dörfer. Wir sind im Gebiet des Goldenen Dreiecks angekommen. Uns begegnen viele alte Frauen, die den Tag mit einer Opiumpfeife begonnen haben. Im Houay Xay treffen wir wieder auf den Mekong, die Zeit in Laos geht für uns leider zu Ende. Gerade hier im Norden gäbe es noch so viel auf Dschungelpisten zu entdecken. Nordlaos ist ein echtes Offroadparadies und wird es wohl auch noch lange bleiben. Da niemand auf die Idee kommen wird, die entlegenen Bergdörfer mit Asphaltstrassen zu verbinden.

Ich habe es dem laotischen Zollbeamten schon angesehen und deshalb auf die Uhr geschaut. In der weltrekordverdächtigen Zeit von nur 38 Sekunden, abgestoppt bei meiner Übergabe, hat der das Carnet de Passages abgestempelt, unterschieben und drückt es mit freundlich lächelnd in die Hand. Die schnellste Zollabfertigung überhaupt, eine unschlagbare Zeit, siehe da, es geht auch anders, in Bangkok haben wir hierfür vier Tage benötigt. Mit einer Fähre überqueren wir den Mekong nach Thailand und schauen etwas wehmütig zurück auf ein traumhaftes Land mit sanften Menschen. Sabadee Laos.